100 Jahre Ulysses
Es gibt ihn nicht mehr, den Bloomsday. Nein.
Kulturpessimisten werden jetzt aufstöhnen, aber keine Sorge, so ist das nicht gemeint. Und nun wieder stöhnen, denn statt eines Bloomsday gibt es gleich mehrere am Stück, und das ganze hat sich zu einer Bloomsweek ausgewachsen. Der Joyce-Experte und Autor Robert Nicholson, lange Zeit Kustos des Joyce-Tower am Strand von Sandycove, beklagte im Jahr 2019, mittlerweile habe der Bloomsday soviel mit Joyce zu tun wie Weihnachten mit Jesus.
Am 16. Juni 2022 hat das Feiern aber allen Grund, über die Stränge zu schlagen, denn es ist nicht nur der Tag, an dem Leopold Bloom, einer von drei Helden des Ulysses, durch Dublin mäandert. Es ist der 100. Jahrestag der Bucherscheinung.
James Augustine Aloysius Joyce (geboren 1882 in Rathgar, Dublin, und verstorben 1941 in Zürich) rebellierte in seinem Schriftstellertum gegen traditionelle epische Formen. Das lässt heute die Köpfe vieler Gelehrter rauchen und erst recht die der Leser, die darauf nicht vorbereitet sind. Spaß an Joyce hat vermutlich am meisten der, der offen ist für das Assoziative, für Ausflüge in die Gedankenwelt der Akteure, für innere Monologe, für Sinn und Unsinn.
Die Stadtwanderung des Leopold Bloom kann man nachahmen, beim Lesen, in Gedanken oder vor Ort in der UNESCO City of Literature. Dublin war für Joyce allerdings nur zu einem Teil Objekt der Liebe, zum weitaus größeren indes „city of failure, of rancor and of unhappiness“ (Joyce 1909).
Zugegeben, eine leichte Lesekost ist der „Ulysses“ nicht. Vielleicht hindert ein zu verkopftes Herangehen an die Lektüre, diese zu genießen. Joyce wusste schon, dass es ihn unsterblich machen macht, wenn er den Deutern ein harte Nuss hinterlässt. Womöglich kichert er sich eins…