Vielleicht irischer als die Iren selbst

„Maud Gonne – ein Leben für Irland“, erschienen im Insel Verlag

Einprägsamer könnte ein Porträtfoto kaum sein: Eine hochgewachsene, ranke Dame im figurbetonten Kostüm mit trichterförmigem Stuart-Kragen, der ein schönes, fast schon prätentiös stolzes Gesicht rahmt, über dem sich wie der Kopfschmuck gallischer Krieger zwei Vogelschwingen erheben. Wer ihr begegnete, dem blieb sie unvergesslich – Maud Gonne, die „Frau von den Feen“, die „heilige Johanna“ von Irland, die große Liebe und Muse des großen Dichters W.B.Yeats.
Jenes Foto schmückt die im Insel Verlag erschienene Biographie, an die sich Elsemarie Maletzke wagte, die schon über die Bronte-Schwestern, über Jane Austen und Elisabeth Bowen geschrieben hat. Kein leichtes Unterfangen, denn Maud Gonnes eigene Aufzeichnungen sind so widersprüchlich wie sie selbst es war. Kapriziös, glamourös, mitunter geradezu verbissen in ihrem – wiewohl begründeten – Hass auf alles Englische (bis hin zu Shakespeare!) Doch diese militante Freiheitskämpferin hatte ein Ziel, das die Mühe lohnte, und eine tolle, mitreißende Art der Rede, die sie prädestinierte für ihre Rolle im Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit.
Die Autorin arrangiert sich mit dieser Ambivalenz, indem ihr Erzählen leicht distanziert bleibt. Das Buch ist voll von Geschichte und Geschichten, es hätten auch zwei oder drei Bände daraus werden können.
Maud Gonne, geboren 1866 in England, verschlug es durch die Versetzung ihres Vaters, Oberst Thomas Gonne, nach Irland. Die Mutter starb als Maud ein Kind von vier Jahren war, und so wurde sie schnell erwachsen und verinnerlichte die Losung des Vaters, wonach man niemals Angst haben dürfe, nicht einmal vor dem Tod. Maud verfiel dem Zauber ihrer Wahlheimat, „wie viele ihrer Landsleute, die im Lauf der Jahrhunderte irischer als die Iren selbst geworden waren – redseliger, widerständiger, leichter entflammbar…“
Als Oberst Gonne später mit beiden Töchtern – neben Maud war das die weniger robuste Kathleen – nach Südfrankreich zog, geriet sie unter die erzieherischen Fittiche eine Mademoiselle, daselbst Republikanerin, die ihr einimpfte „Unabhängigkeit, ma Chérie, ist das kostbarste aller Güter, und jede Frau kann unabhängig sein“. Dies wurde neben der Furchtlosigkeit zum zweiten Prinzip, dem Maud Gonne ihr Leben lang treu blieb.
Die junge Frau verachtete die ausbeuterischen Praktiken der Landlords gegen die hungerleidenden irischen Pachtbauern, fand das Leid der zerlumpten Gestalten auf den Straßen, Folge jahrhundertelanger Entrechtung, unerträglich. Das Leben „unter dem Deckel der Konventionen“ langweilte sie schon mit 21 bis zur Ohnmacht. Fortan entschied sie sich „an jeder Kreuzung ihres Lebens für die harte Tour“.
Vier- bis fünfmal scheiterte der 16 Jahre jüngere W.B.Yeats mit seinen Heiratsanträgen bei ihr. Der Dichter beschrieb ihre Körperhaltung, „ihr(en) gerade(n) Rücken, ihr(en) arrogante(n) Kopf“ als zugehörig zu den „schönen erhebenden Dingen“. Es blieb bei der astralen Vereinigung, Sex auf höchster mentaler Ebene. Wie ein Leitmotiv durchzog diese Liebe Yeats‘ Leben und Werk. 1902 brillierte die Schauspielerin Maud Gonne in seinem für und über sie geschriebenen Stück „Cathleen Ní Houlihan“.
Mit dem französischen Journalisten und Politiker Lucien Millevoye verband sie da schon über viele Jahre mehr als eine Liebes-Affäre, aus der die in Irland als Nichte deklarierte Tochter Iseult hervorging (,bei der Yeats schließlich erneut mit einem Antrag scheitern sollte). Die Begegnung mit Millevoye hatte ihre Karriere als politische Aktivistin forciert, in ihm fand sie einen Mann, der sie „als gleichberechtigte Komplizin behandelte.“ Gonne schrieb politische Artikel für französische Zeitungen, bei denen sie sich nicht immer mit Präzision an die Fakten hielt, mehr kam es ihr auf einen schwungvollen polemischen Stil an, der die Leser zu packen wußte.
Mit dem Nationalisten John MacBride, den sie 1903 heiratete, plante die nicht eben pazifistisch veranlagte Frau einen Anschlag auf König Edward VII. während dessen Staatsbesuch auf Gibraltar. Dies hatte sich gut mit den Flitterwochen verbinden lassen, scheiterte aber – wie auch die Ehe – an der Unzuverlässigkeit des zu Alkohol und Jähzorn neigenden Patrioten. MacBride wurde 1916 im Zuge des Osteraufstandes erschossen.
Wiewohl Maud Gonne, deren Leben seit sie Mitte 30 war aus Kämpfen und Kampagnen bestand, viele Verbündete bei diesen Aktivitäten hatte, gab es auch verzagte Momente, in denen Freunde wichtig gewesen wären, die sie aufgefangen hätten.
1949, als sie 84 war, zeichnete Radio Éireann Gespräche mit der alten Dame auf, die zwar „ein Fossil, aber bestens vorbereitet“ war. „Gewalt ist das einzige Gegenmittel für ein Volk, dessen Land vom Feind erobert worden ist“, beharrte sie, „Worte mögen in mancher Hinsicht taugen, aber wenn keine Gewalt dahintersteht, brechen sie das Eis nicht.“
Maud Gonne starb 1953, Seán, der gemeinsame Sohn mit MacBride, gehörte unter anderem 1961 zu den Gründern von Amnesty International.

(erschienen im Insel Verlag, gedruckt auf elegant handschmeichelndem Papier, 298 Seiten, 24,95 Euro)

Beate Lemcke

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