Shakespeare im Gepäck

Jonas Baeck auf Tour nach Dublin mit dem Roller und dem Vorsatz „Wenn die Sonne rauskommt, fahr ich ohne Geld“

Reisen buchstabiert sich ein Wort, das kaum jemanden unberührt lässt. Es ist ein Sehnsuchtswort, ein Verheißungswort, ein Erinnerungwort…
Ob mündlich weitergegeben, als Filmreportage oder zwischen zwei Buchdeckeln sind Unterwegsgeschichten immer eine sichere Bank für ein geneigtes Publikum, denn der Unternehmungsfreudige findet sich darin wieder und der Zauderer auch. Ich kenne jedenfalls niemanden, der nicht aufseufzen würde, wenn eine Abenteuergeschichte angekündigt ist: „Ach, das würde ich auch gern mal“, oder „Jung müsste man sein“ oder „wenn ich das Geld hätte oder die Zeit“…
Lässt man dem Zufall Raum, dann fliegen einem die Erlebnisse und Geschichten nur so zu – so dachte sich wohl Jonas Baeck, junger Schauspieler, der aufbrach zu einer Reise, die ein Ziel hatte, aber keinen Plan. Motorisiert mit Roller, indes ohne Geld, brach er von Bochum auf, um nach 1123,92 Strassenkilometern in Dublin anzukommen. Er hatte da eine Wette vor allem mit sich selbst laufen, vielleicht auch mit einer Frau, in die er sich etwas backfischmäßig und schwärmerisch verliebt hatte. Wie sich letztlich herausstellt, wohl der Anlass, aber nicht der Grund, dieses Abenteuer anzugehen. Für die Angebetete galt es, eine alte Shakespeare-Ausgabe aufzuspüren, schliesslich hatte ihn der Liebespfeil auf der Bühne bei „Romeo und Julia“ getroffen.
Baeck, Jahrgang 1981, war bislang auf Bühnen u.a. in Bielefeld, Berlin, Mannheim und Köln zu sehen oder in Kino- und Fernsehproduktionen wie Lars von Triers „Nymphomaniac“ oder der Serie „Club der roten Bänder“. In der Dubliner Fußgängerzone der Grafton-Street stand er erstmals allein auf sich gestellt auf der Bühne, wahlweise auf einer Mülltonne oder einem Barhocker, nachdem er zuvor in Antwerpen und Brügge sowie in London, Stratford upon Avon und Birmingham mit Hilfsdiensten wie Putzen und Flyer-Verteilen Kost und Logie sowie Sprit für den Romeo getauften Roller einspielte.
In Unterwegsgeschichten erfährt der Leser im besten Falle etwas über das Reiseziel, also Land und Leute und über den Erzähler, den Abenteurer selber. Jonas Baeck muß einem sympathisch sein, weil er staunen kann und offen ist und ohne Dünkel. Land und Leute kommen manchmal etwas zu kurz, wenn der Schauspieler übers Schauspielern doziert – andererseits ist es aufschlußreich, sich in die Rolle eines eingeforenen Mannes zu versetzen, der in der Fußgängerzone um Publikum buhlt.
Wenn man etwas aus dem Reisebericht erfährt, dann dass „da draußen“ überall Leben ist und dass der Pilger seine eigene Kaft und die Hilfe anderer mobilisieren muß, um weiterzukommen. Voraussetzung hierfür ist Kommunikation. „Richtig“ Reisen ist etwas anderes als Cityhopping von Flughafen zu Flughafen und die Anstrengung ein Fundament für Glücksgefühle.

Beate Lemcke

Jonas Baeck „Wenn die Sonne rauskommt, fahr ich ohne Geld“. Erschienen in der Kiwi-Reihe bei Kiepenheuer & Witsch, Paperback, ca. 267 Seiten, 10 Euro

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