Bodenständig und modern

Zum 60. Geburtstag des sächsischen Künstlers Volker Mehner

Der Großvater Bergmann, der Vater Brauer – was lag da ferner für den Spross als Künstler zu werden. Also hieß es erst mal handwerklich mauern. Doch der Sog der Kunst war stärker und überwand die familiäre Gleichmut, um sich dann an den Vorgaben eines Systems zu reiben, das gerne muttihaft bestimmte, wer als Künstler tätig sein durfte und sich welchem Sujet widmen und formal wie.

Es kam ihm das Bodenständige seiner Herkunft zugute, das Widerständische des Großvaters vor allem, der sich nicht einwickeln ließ von einem System, und wenn es ihm Jahr um Jahr Mai-Nelken ins Haus reichte. Der bevorzugte, selber zu denken und wahrhaftiger Mensch zu sein.

So hielt es auch der junge Volker Mehner, der munter wo ihm der Weg in eine Kunstakademie versperrt blieb seine eigenen Wander- und Bildungsjahre ausrief. Aus der erzgebirgischen Kleinstadt hinaus ins schon größere Karl-Marx-Stadt/Chemnitz, dann nach Stralsund und schließlich an die Spree nach Berlin.

In der Dreckbrühe dortselbst trieb ein abgetrennter Schwanenflügel derweil Mehner sich mit der Mythologie und den Engeln in der Kunstgeschichte befasste und diese Darstellungsidee gleich umsetzte. Schon zuvor und auch danach ging er ähnlich unkonventionell und unverbildet an seine gestalterische Arbeit heran. Dies „learning by doing“ zu nennen, wäre allerdings tiefgestapelt. Eher war es ein freilegendes Graben nach inneren Schätzen, man kann getrost eine genialische Ader vermuten. Viel weiß dieser Mann, geradezu bestürzend viel, man fragt sich, wo er das alles her holt – firm in Mythologie, Geschichte und Kunstgeschichte. Belesen, beredt, selber Farben anrührend und bildnerische Techniken raffinierend.

So entwickelte er seine eigene Bildsprache, Vorgänger und Einflüsse scheinen durch, aber ohne unmittelbares Leitbild. Seit Mitte der 80er lebt Mehner in Berlin und ist doch mit Sachsen vernabelt geblieben. So wie er das erzgebirgische Sächsisch mit nach Berlin gebracht hat und gar nicht daran dachte, es glatt zu schleifen, zumal das Berliner Idiom nicht eben eleganter.

Es erweist das vorliegende Werk, dass Mehner ein hervorragender Zeichner ist, hunderte, tausend Blätter, manche Papierschnipsel, gibt es da; von hoher Qualität durchweg. Druckgrafik auch, Arbeiten zur Literatur: Edgar Allen Poe (noch zu DDR-Zeiten in der Reihe Poesiealbum), zum Dresdner Dichter Uwe Hübner (aus dem selben Bergnest stammend wie Mehner und auf seinem Gebiet Solitär wie dieser), zu Hermann Lenz, Wolfgang Hilbig, Gert Neumann, Seamus Heaney. Ezra Pound. Oder zu Musik von Wagner und Schubert.

Die Malerei viele Facetten aufzeigend wie ein Diamant mit divers beschliffenen Seiten, brillant eine jede. Es sind Kapitel auszumachen wie die collagierten Zettelbilder, oder Malerei zur Romantik. An dieser interessieren ihn nicht Historie, noch Ideologie, Ideale oder Naturversenkung. Eher das Universaldenken und wie man die Romantik heute lesen kann; was an Stimmung in ihr steckt, die Imagination, die Demut.

Daran arbeitet er sich still ab. Was ihm nämlich gar nicht liegt ist Berggeschrei, um einen Begriff aus den Anfängen des Silberbergbaus im Erzgebirge, vergleichbar dem Goldrausch in Amerika, zu bemühen. Kunst sei keine Olympiade, wie es der heutige Messe- und Biennalen-Zirkus weismachen wolle, wehrt er ab, auch wenn er sich damit ohne Arschleder (im Bergbau der Schutz fürs Gesäß) in die Nesseln setzt.

Mehners Arbeiten zur Romantik sind nicht historisierend, dafür ideenprall und assoziativ, anregend ironisch verfremdet. Sie wirken oft wie aus der Zeit gefallen, woran wohl liegt, dass im Gegensatz zu Bildern anderer Maler man seinen nicht ansieht, aus welchem Jahrzehnt sie stammen. Der eigenwillige Formenkanon und die reiche Peinture machen sie zu einem visuellen Erlebnis.

So auch die „Überfahrt, Kahn der Erna“, ein Gemälde nach Ludwig Richters Überfahrt am Schreckenstein, die Mehner anderthalb Jahrhunderte später in die Sächsische Schweizu verlegte. Dass das Dresdner Albertinum dieses Bild Ende letzten Jahres erwarb, war ihm eine Vorgeburtstags-Freude.

Es mag kontraproduktiv klingen, aber auf die eindeutige Rechtschreibung vertrauend und eingedenk dessen, dass er ein Maler ist, möchte man nun ermuntern: hängt ihn!

Alles Gute zum sechzigsten Geburtstag!

 

Beate Lemcke im August 2013

(Abbildung freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Volker Mehner, ausschließlich zur Illustrierung dieses Artikels, alle Rechte beim Künstler)

 

 

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