Triumvirat aus Priester, Doktor und Polizist
Chris Inken Soppa auf den Spuren von Leo Daly und James Joyce
Es ist doch so auf unserer Welt in unserer Zeit: Viele Bereiche sind weitreichend erforscht und beschrieben. Fortan geht es nicht mehr darum, weiter zu forschen. Sondern darum, die Dinge zu verknüpfen, Erkenntnisse zusammenzuführen und Schlüsse daraus zu ziehen.
Auch mit Biographien, in Literatur und Kunst, kann das ein erhellender Umgang sein. So jedenfalls zeigt es sich in Chris Inken Soppas literarischer Irlandreise. Sie führt uns Leser auf James Joyce‘ Spur wie sie der fast vierzig Jahre später geborene Leo Daly in Irland verfolgt hat und wie jene geschichtsträchtigen Orte sich in den 2020er Jahren den Reisenden C. und R. darbieten.
C. ist die Autorin Chris Inken Soppa, R. steht für Ralf Staiger, der nicht nur die sehr eigenen poesievollen Illustrationen beigesteuert hat, sondern auch viele Gedanken und Anregungen. Wie das halt so ist, wenn man gemeinsam reist.
Die Buchautorin hat umfassend recherchiert, nachgelesen, Zitate ausgegraben und sich unter anderem mit Leo Dalys Kindern und einer Nichte getroffen. Was sie herausgefunden hat, erzählt sie nicht mit langem Atem, sondern in Form von Gedankensplittern, Reisenotizen und Zitaten. Diese „kleine Form“ umfasst manchmal nur einen Satz, manchmal eine Buchseite.
Soppar erzählt von der Vergangenheit zu Joyce‘ Zeiten und zu Dalys Zeiten und zoomt bis in Heute der einfallenden Touristenhorden. Jenen nach dem Einzigartigen suchenden Menschenmassen, die Filmdrehorte aufsuchen, den Zopfpullovern und dem Fiddel-de-foo der Banshee of Inisherin auf den Fersen.
Vieles, was die Autorin beschreibt, wird bei Irlandfreunden Erinnerungen wecken. Es frischt Erblasstes auf. Leo Daly war oft auf den Arans. Er nahm wahr, wie die Insel von einem Triumvirat beherrscht wird: dem Priester, dem Doktor und dem Polizisten.
Beim Abgleich der Beschreibungen Dalys in seinem Roman „Der Felsengarten“ (ins Deutsch übersetzt hat diesen Roman C. I. Soppa) mit dem Heute, entdecken C. und R., dass die neuen Behausungen auf Inishmór der Straße den Rücken zukehren. „Früher hatte die Straße als nie versiegende Quelle des Inseltratsches gedient. Wer hier vorbeikam, wurde von allen gesehen.“ Jetzt schauen die großen Fenster der niedrigen Bungalows aufs Meer und die enfernten Berge des Festlands.
Beate Lemcke (September 2024)
Chris Inken Soppa: Leo Daly & James Joyce. Eine literarische Irlandreise. Erschienen in der Edition Karo, Literaturverlag Josefine Rosalski, Pappeinband, ganzseitige farbige Illustrationen von Ralf Staiger, 142 Seiten, 23 Euro