Volker Mehner: Goldbilder

Mehners Bilder werfen uns um Jahrhunderte zurück.
Haben wir uns doch an das moderne Tafelbild gewöhnt, welches stets vier Ecken hat, dabei möglichst rekordverdächtig viele Quadratmeter zählt und an Farben, Stilrichtungen sowie Sujets kaum Wünsche offen lässt.
Die kleinen Goldenen entführen ästhetisch in vormalige Zeiten: prägnant in der Form, farblich reduziert, geheimnisvoll leuchtend und wert. Besetzt sind sie mit Animalischem und Flora, menschlichen Figuren, Fabelwesen. Mit Sphinx und Schlange zum Beispiel, die klar den Mythosbezug offen legen.
Eine Reise in die Vergangenheit also? In die Kunsthistorie und Menschheitsgeschichte?
Könnte man denken, wären sie nicht gleichzeitig so verstörend eigen, derb und ungeschlacht. So packend in der Form, satt in der Farbe, so ungestüm und lebendig nach Comic-Art. Zweifelsohne: modern!

Kraftvolle Sinnlichkeit

Die Ratio, das intellektuelle Moment einer mythosbezogenen Kunst geht bei Volker Mehner immer Hand in Hand mit einer kraftvollen Sinnlichkeit und überbordenden Emotionalität. Um Stimmung und Ausdruck geht es da, wie bei den Romantikern, denen der Maler sich seit seinen künstlerischen Anfängen verbunden fühlt.
Volker Mehners Wiege stand im Erzgebirge, wo schon dem Kleinkind Schnitzspäne um die Ohren flogen, und sobald der Heranwachsende selbst ein Werkzeug halten konnte, schnitzte er am Weihnachtswunderland mit – so war es Tradition in dem Landstrich. Er sieht diese Schule als durchaus sinnbringende Wegmarke in seinem Werdegang, mitgeprägt habe dies beispielsweise seine Hinwendung zur Kunst des Holzschnitts.
Wiewohl individualisiert in der Physiognomie, sind die Akte, Frauen und Männer, nicht porträthaft wiedergegeben. Sie wirken abwesend, nicht von dieser Welt, wie sie da stehen, nackt, entblößt, angreifbar und doch unnahbar, in sich gekehrt, sich bedeckt haltend. Freche, zügellos-zündelnde Teufelchen treiben ihr provozierendes Unwesen. – Zwar arbeitet Mehner gegenständlich, aber nicht im Sinne einer Wiedergabe der Wirklichkeit.

Beschränkt auf wenige Farben

Formal wirken Mehners kleine Bildtafeln zunächst streng, durch die Beschränkung auf wenige Farben und den schwarzen Bildrand. Aber eine gewisse Nachlässigkeit und Unordnung bricht dies, häufig verlaufen die Bildränder unregelmäßig, Ausläufer des Goldgrundes lappen ins Schwarz oder eine verspielte Farbtüpfelei nimmt der homogenen Fläche die Unschuld.
Eignet dem Goldgrund auch etwas Feierliches, widersetzen sich die Bilder doch allem Innigen und Feinen, sondern wirken eher sperrig. Manche Details stehen wie Versatzstücke im Bild, trotz körperlicher Modellierung der Gestalten kann kaum die Rede sein von klar beschriebenen Räumen. Der Goldgrund tut sich zuweilen als endlos weiter, alles verschlingender diffuser Raum auf.
Mehner gelingt der Brückenschlag von der Ästhetik des Mittelalters zur Moderne. Zeitloses und Gegenwärtiges sind miteinander verwoben. Selbstbewusst und unorthodox hantiert er mit dem gegebenen Material. Diese Bilder sind von vorwärtsweisender Modernität, oder – wollte man ein noch größeres Wort bemühen – visionär.

Beate Lemcke (Eröffnung im Oktober 2004)

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