Spazierengehen in Edinburgh

Ganz ehrlich: jeden Tag könnte ich so ein Inselfrühstück nicht essen. Aber die seltenen Ma(h)le sind stets ein großer Genuss. Ich weiß noch, wie ich bei meiner ersten Reise durch Irland sieben mal hintereinander ein Full Irish Breakfast zu mir nahm, schließlich im Norden anlangte und mich tierisch auf die Abwechslung eines Ulster Fry freute. Um festzustellen: es gibt keinen Unterschied. Das schottische Frühstück nun erweist sich als ebenbürtig, lediglich die baked beans scheinen unerlässlich, wogegen die gebratene Tomate entfällt.

 

Gesundheitliche Bedenken plagen mich nie, sondern ich genieße die Unabhängigkeit, die so ein kräftiges Frühstück mit sich bringt. Vor dem frühen Abend verschwendet man keinen einzigen Gedanken mehr an die Nahrungsbeschaffung, und die ungeteilte Aufmerksamkeit kann nunmehr Land und Leuten gelten.

 

Edinburgh ist vor allem Stein, viel grauer, sehr alter Stein. Von Kriegszerstörungen verschont, steht trutzig die Altstadt mit ihren schmalen Straßen und verwinkelten Gässchen. Farbe bringen die rot, blau, gelb und grün leuchtenden Tartans, die gewebten Stoffe der Clans, in dieses Grau, die in gefühlt jedem dritten Laden zu erwerben sind, und von denen man meinen könnte, sie seien eigens dafür erfunden, das Grau zu brechen.

 

Stimmt aber nicht, denn dafür wurde bereits die Sonne erfunden. Sobald sie nämlich scheint, fängt das Grau an zu leben und einen Nuancenreichtum sondergleichen zu entfalten: silbrig, golden, grünlich, himmelblau.

 

Und von vielen Punkten der Stadt, über der das Edinburgh Castle wie eine Trophäe auf dem Kaminsims wacht, tun sich wunderbare Ausblicke auf Berge und die See, genauer den Firth of Forth, auf. Weil die Schotten nicht auf Biegen und Brechen in der New Town hügelabwärts gebaut und sich die Landschaft verstellt haben.

 

Einen Besuch lohnen die National Galleries of Scotland. Mit meiner Reiseplanung war ich meines Glückes Schmied, denn ich erwischte die letzten Tage einer großen Peter-Doig-Schau. Wie schon vor Jahren in Berlin trieb mir die sinnliche Peinture auf den Gemälden dieses schottisch-karibisch-kanadischen Künstlers Tränen des Glücks in die Augen. In den anderen Bereichen der vier Nationalgalerien, die übrigens bei freiem Eintritt zum Besuch laden, lässt sich unter anderem vortrefflich studieren, worum in Berlin noch gestritten wird: es funktioniert, Gemälde, Skulpturen und Mobiliar gemeinsam zu präsentieren. Und Klassik und Moderne nebeneinander zu hängen.

 

Eher ums Liegen geht es auf dem Friedhof Greyfriars Kirkyard nahe der Universität, der 1561/62 begründet wurde. Aufmerksamkeit erlangte er unter anderem durch einen Hund, den Skyterrier Bobby, der nach dem Tod seines Herrchens John Gray dreizehn Jahre lang an dessen Grab wachte. Eingebettet in die Altstadt und mit viel altem Baumbestand ist er eine Augenweide.

 

Beim Rückflug nach Berlin, über Brandenburg, fiel mir übrigens auf, dass die Windparks von weit oben aussehen wie Friedhöfe.

 

Beate Lemcke (mal nicht in Irland, sondern Schottland im Oktober 2013)

 

 

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