Volker Mehner: Puck Fair

Das neuzeitliche, gepriesene Recherche-Instrument Internet bietet als
vollautomatische Übersetzung für Puck Fair ein lustiges: „Der angemessene
Kobold“ an. Dieser werde gefeiert mit Konkurrenzen der Kinder und tanzenden
Anzeigen, wobei die lokale Leutemischung mit Europäern und Amerikanern zum
Verursachen einer wirklich internationalen Atmosphäre beitrage.<br>
Schon gut. – Lassen wir’s lieber beim selbst Gesehenen und von Augenzeugen
Übermittelten; die Angelegenheit wirft bereits genug Fragen auf mit den
Ungereimtheiten ihres Ursprungs, und vom Tierschutz fangen wir gar nicht erst
an! Da gibt es also diesen kleinen Marktflecken, das Örtchen Killorglin im Herzen
des irischen Countys Kerry. Jedes Jahr an drei Tagen im August wird daselbst ein
wilder Ziegenbock – man kann sagen – gehisst. Wird auf ein turmhohes Gerüst
gehievt, wo er verbleibt für die Dauer des Festes „Puck Fair“, bei dem auf
irische Art gefeiert, getanzt, getrunken und musiziert wird. Begleitet von einem
traditionellen Pferdemarkt und einer Parade. Zweifelsfreier Höhepunkt ist die
Krönungszeremonie für den „Puck King“, jenen stattlichen Bock, der in der
Wildnis Kerrys gefangen wurde und nun zum „einzigen König von Irland“ erhoben
ist.
Wiewohl so inbrünstig zelebriert, ist nicht genau überliefert, wann dieses
seltsame Treiben begann. Den ersten schriftlichen Beleg gibt eine 1603 von King
James I. erlassene Charta, die der Fair offiziellen Status verlieh. Vermutet
werden für den Ursprung weiterhin frühchristliche Fruchtbarkeitsrituale, zumal
jener feierliche Krönungsakt vor der Kalenderumstellung im 18. Jahrhundert auf
den 1. August fiel, auf welchen auch das frühere Fruchtbarkeitsfest der Kelten
datierte.
Vor einem Jahr stand Mehner auf dem Marktplatz von Killorglin und schaute in
die Höhe, den wilden Bock imaginär im Blick. Seit jenem erhaben-schrulligen
Moment fügte der Künstler seinem Oeuvre erstaunlich viele Ziegen/Böcke hinzu.
Zum 50sten des Künstlers, hier in Berlin, nahezu zeitgleich mit dem festlichen
Ritual der Puck Fair in Killorglin, sind diese ans Licht geholt und finden sich
in würdiger Gesellschaft vieler Neuschöpfungen, erstmals auch skulpturaler Art.
Die erste Zeichnung eines Ziegenbocks von des Künstlers Hand weist laut
Signatur drei Jahrzehnte zurück. Und hat, wie der Meister beteuert, „keinen
komplizierten Hintergrund“. Freilich ist zwingend eine Stoffpuppe aus
Urgroßmutters Nähstube zu erwähnen, die von Generation zu Generation
weitergereicht – quasi als Mehnersche Ausübung von Jugendweihe – in den Besitz
des Halbstarken Volker geriet. Das Vieh gefiel ihm einfach, als Typ, als
Charakter. Mit dem Wissen um die Puck Fair bekam der Ziegenbock dann
gewissermaßen neuen Aufwind.
Kommt dieses Tier hier augenscheinlich unschuldig daher, gilt es doch zu
bedenken, dass der Teufel bevorzugt die Gestalt des Ziegenbocks annimmt. Wie
überhaupt in Geschichte und Sagenwelt der Ziegenbock kein unbeschriebnes Blatt
ist. Pan, der altgriechische Hirtengott, ist durch seine bocksbeinige Art, seine
Mischgestalt aus Mensch und Ziegenbock gezeichnet. Im Mittelalter findet diese
Charakterisierung im Bild vom gehörnten Teufel Ausdruck. Die Chimäre besteht aus
Teilen von Löwe, Schlange und Ziege, die Satyrn sind ebenfalls Mischwesen,
nämlich aus Mensch und Ziege. Das Brustschild der Göttin Athene besteht aus
Ziegenfell; zum Schutze vor seiner eifersüchtigen Gattin Hera verwandelte Zeus
den jungen Dionysos in eine Ziege… Es meckert mithin aus allen Ecken und
Epochen.
Nach einem Volks-Aberglauben kann ein schwarzer Ziegenbock böse Geister
jedweder Art von Heim und Grund vertreiben. – Hier muss sich also derzeit
niemand sorgen…

Beate Lemcke (Eröffnung im August 2003)

(Abbildung freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Volker Mehner, ausschließlich zur Illustrierung dieses Artikels, alle Rechte beim Künstler)

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